Eigenbericht über Griechenland-Veranstaltung am 28.10.2015
In der griechischen Gesellschaft gibt es eine „riesige spontane Solidarität mit Flüchtlingen“, sagte der Sozialwissenschaftler Athanasios Marvakis aus Thessaloniki bei einer Diskussionsveranstaltung am 28. Oktober, dem griechischen Nationalfeiertag, vor etwa 50 Zuhörenden im Tübinger Schlatterhaus. Die Solidaritätsbewegung fordert von der griechischen Regierung, die Landgrenze zur Türkei zu öffnen und den Flüchtlingen eine sichere Weiterreise nach Nordeuropa zu ermöglichen.
Bis zum Jahr 2011 sei es noch möglich gewesen, über die grüne Grenze vom türkischen Edirne nach Thessaloniki zu gelangen. Doch dann wurde dort ein praktisch unüberwindlicher Hochsicherheitszaun gebaut, finanziert von der EU. Seither müssen Flüchtlinge den lebensgefährlichen See-Weg über die Ägäis nehmen. „Die Flüchtlinge werden nicht aufhören zu kommen. Aber der Blutzoll wird steigen“, sagte Marvakis. Aktivist(inn)en aus Thessaloniki demonstrieren derzeit für eine Öffnung der Landgrenze. Ihr Motto: „Wir müssen am Zaun rütteln.“
Dass die EU nun auf Lesbos und anderen Inseln so genannte Hotspots (Sammellager für bis zu 30.000 Flüchtlinge) einrichten will, werde die griechische Gesellschaft „zum Negativen verändern“, sagte Marvakis. Denn wer aus den Hotspots entkommt, der müsse untertauchen und sei für die Weiterreise wieder auf Fluchthelfer angewiesen. „Aus der Solidarität wird dann Schleuserei.“
Argiris Balomatis, der Vorsitzende der Deutsch-Griechischen Gesellschaft in Tübingen, berichtete von jungen Tübinger(inne)n, die auf Lesbos Flüchtlinge unterstützen. Dass das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dort fast überhaupt nicht aktiv sei, sei ein Skandal. „Die Situation auf Lesbos ist mittlerweile weltweit bekannt.“
Die Zuhörenden spendeten 350 Euro für eine ehrenamtliche Solidaritäts-Klinik in Thessaloniki, in der Flüchtlinge kostenlos behandelt werden – ebenso wie Griech(inn)en, die aufgrund der Krise und der Sparpolitik ihre Krankenversicherung verloren haben. Marvakis war auf Einladung der Gruppe ZAK³, von Attac, Medico International und der Rosa-Luxemburg-Stiftung ins Schlatterhaus gekommen.