Presseerklärung zum Nulltarif im ÖPNV, 19.2.2018

1.
Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung in mindestens fünf deutschen Städten
Modellprojekte für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr starten will. Wir hoffen, dass
dies ernst gemeint ist und nicht nur ein Ablenkungsmanöver ist, um Gerichtsurteile oder EU-
Strafzahlungen wegen Luftverschmutzung hinauszuzögern. Wir hoffen, dass sich noch
weitere Städte an den Modellprojekten beteiligen können, darunter auch Tübingen. In
Deutschland wurde noch nie ernsthaft untersucht, wie sich ein Nulltarif auf das
Fahrverhalten auswirken würde. Die bisherigen Experimente (Beispiel: Templin in
Brandenburg) waren viel zu begrenzt. Deswegen sind große und mehrjährige
Modellversuche längst überfällig. Wir sagen voraus: Ein Nulltarif wird mehr Fahrgäste in
Busse und Bahnen bringen. Damit werden die Städte und Kommunen dann auch in ein
besseres Angebot investieren: mehr Busse, mehr Bahnen, mehr Linien, dichterer Takt.
2.
Zur Finanzierung: Selbstverständlich muss die Bundesregierung die Modellprojekte auch
mit entsprechenden Fördermitteln ausstatten, damit sie überhaupt starten können. Allein für
die fünf genannten Städte ist jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag nötig. Gleichzeitig
dürfen die betroffenen Kommunen und Verkehrsverbünde aber auch nicht alle
Verantwortung nach Berlin abschieben. Sie müssen auch selbst Geld in die Hand nehmen,
sei es über kommunale Steuern, über Abgaben (z.B. von Einzelhandel, Hotels und
Unternehmen, die alle indirekt von einem Nulltarif profitieren werden) oder kommunalen
Nahverkehrs-Umlagen (dafür ist in Ba-Wü ein entsprechendes Landesgesetz erforderlich).
Schließlich profitieren diese Kommunen und Verkehrsverbünde ja auch von den massiven
Verbesserungen im Nahverkehr.
3.
Ein Nulltarif im Nahverkehr ist gute Sozialpolitik. Klimaschutz und Verkehrswende dürfen
nicht auf Kosten der Armen gehen, während sich die Reichen saubere E-Autos und teure
Haus-Sanierungen leisten können. Das gilt für Bangla Desh oder die Pazifik-Inseln ebenso
wie für Tübingen oder Reutlingen. Mobilität ist ein Grundrecht. Ein Nulltarif im Nahverkehr
ist ein Beitrag zu einer umfassenden sozialen Infrastruktur, die es ALLEN ermöglicht, am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
4.
Ein Nulltarif im Nahverkehr ist gute Umweltpolitik. Er fördert den Umstieg vom privaten
Auto in öffentliche Busse und Bahnen. Das verhindert den urbanen Verkehrskollaps. Bessere
Luft, weniger Lärm, weniger Stau, weniger Unfälle: unsere Städte werden lebenswerter –
für alle. Mag sein, dass bei einem Nulltarif auch manche FußgängerInnen oder
RadfahrerInnen gelegentlich mit dem Bus oder der Straßenbahn fahren werden. Na und?
Wir brauchen eine radikale Verkehrswende weg vom Auto. Und wir brauchen sie jetzt.
5.
Ein Nulltarif im Nahverkehr ist auf der Höhe der Zeit. Bisher muss man sich erst am
Ticketautomaten durch den Tarifdschungel quälen. Künftig heißt es: einfach einsteigen und
mitfahren.
Die Gruppe ZAK³ Tübingen fordert seit zehn Jahren einen Nulltarif im Tübinger
Stadtverkehr: TüBus umsonst! Mit Veranstaltungen, Aktionen und Diskussionspapieren
haben wir die Idee in die öffentliche Diskussion gebracht.
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