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Vorschlag für eine Kampagne:
"Tübingen fährt blau! Nulltarif im Stadtverkehr!"
ZAK Tübingen, Juli 2008
Vision
Ab 2010 fährt der TüBus zum "Nulltarif". Immer mehr Tübinger wechseln vom Auto zum Bus. Auch Menschen, die wenig Geld haben, werden mobiler. Die dafür notwendige Infrastruktur wird von allen getragen. Die Stadt wird lebenswerter, weil ruhiger und solidarischer. Der CO2-Ausstoss sinkt. Über Tübingen hinaus entsteht ein zukunftsfähiges Modell für Mobilität für alle - als Ausweg aus der weltweiten Sackgasse des motorisierten Individualverkehrs.
Ökologisch und sozial
Unser Ausgangspunkt ist der Versuch, die ökologische und die soziale Perspektive nicht gegeneinander auszuspielen, sondern zusammen zu bringen. Die meisten bisherigen Klima-Appelle verlangen nur von den "kleinen Leuten", den Gürtel enger zu schnallen oder ihre alten Autos zu verschrotten. Dagegen werden Solar-Investoren und Immobilienbesitzer, die ihre Häuser ökologisch modernisieren, subventioniert.
Ein Nulltarif im Nahverkehr hätte einen überdurchschnittlichen Nutzen für Arme, für Kinder, für Familien, für SeniorInnen. Klimaschutz würde also nicht nur "Verzicht" bedeuten, sondern auch einen "Gewinn" bringen, an Lebensqualität, Mobilität und sozialer Gerechtigkeit: Weg vom privaten Auto, hin zu einer von der Allgemeinheit getragenen sozialen Infrastruktur. Eine spürbare Reduzierung des Autoverkehrs würde sehr viel schneller CO2 einsparen als alle Häuser-Sanierungsprogramme (die natürlich trotzdem richtig sind).
Global denken, lokal handeln
Die beschriebene Vision ist die Umsetzung einer konkreten Utopie. Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe als Grundrecht für alle. Klimapolitik als Menschenrechtspolitik. Ansetzen an (real-)politisch umsetzbaren Projekten und trotzdem die weltweite Perspektive im Blick behalten - denn in den Städten droht der ökologische und soziale Kollaps, der vor allem die Armen trifft und von gesellschaftlicher Teilhabe und Mobilität ausschließt.
TüBus umsonst
Zum 1.1.2010 werden in allen Tübinger Bussen die Ticketautomaten abgebaut. Es gibt keine Fahrkartenkontrollen mehr. Alle TübingerInnen können umsonst Bus fahren. Und die auswärtigen Besucher (Berufspendler, Studenten, Touristen, etc.) sind herzlich eingeladen, auf unsere Kosten mitzufahren. (Wer von einer anderen Naldo-Wabe nach Tübingen kommt, hat seine Busfahrt in Tübingen sowieso schon bezahlt.) Aus praktischen Gründen würden wir uns zunächst auf Tübingen beschränken. Aber wir hoffen natürlich, dass das Tübinger Nulltarif-Modell auf das gesamte Naldo-Gebiet und auf andere Städte ausstrahlt. Nachahmung ist ausdrücklich gewünscht.
Erhoffte Folgen
- erhöhte Mobilität auch für Leute mit wenig Geld
- mehr Busse, kürzere Taktzeiten, besserer Service, mehr Linien/Haltestellen
- weniger Autoverkehr, weniger Staus, bessere Luft, weniger Lärm, sichere Straßen (auch für Radler und Fußgängerinnen)
- weniger CO2-Ausstoß
- mehr Besuche im Krankenhaus (diese Erfahrung machte die belgische Stadt Hasselt mit ihrem Nulltarif)
- Plus im Einzelhandel, Gewerbe, Kultureinrichtungen
- bundesweit besseres Image für Tübingen
Finanzierung
Der Tübinger Stadtverkehr SVT kostet zur Zeit gut 10 Millionen Euro im Jahr. Davon zahlen die Stadtwerke rund 2 Millionen Euro (Transfer aus Gewinnen bei Strom und Gas), vom Land etc. kommen 3 Millionen Euro Zuschüsse. Die Ticketeinnahmen betragen jährlich gut 5 Millionen Euro. Diese 5 Millionen müsste man also anderweitig aufbringen. Wahrscheinlich sogar noch mehr - weil ja künftig hoffentlich noch mehr Busse fahren und der Fahrplan noch dichter wird. Benötigt werden also mindestens 5 Millionen Euro, besser 8 Millionen Euro im Jahr. Allerdings würde man auch ein bisschen Geld einsparen (Verwaltungskosten, Ticketautomaten, Honorar für Kontrolleure).
Es sind verschiedene Modelle zur Finanzierung denkbar. Am plausibelsten erscheint uns eine allgemeine Mobilitätsabgabe oder Einwohnersteuer. Größenordnung: Bei geschätzt 50.000 Tübinger SteuerzahlerInnen wären das jährlich 120 Euro pro "erwachsene" Person (macht 6 Millionen Euro). Das müsste natürlich sozial gestaffelt werden. Zum Vergleich: eine TüBus-Jahreskarte kostet heute 324 Euro, Schülermonatskarten kosten 26,20 Euro. Ein Pfrondorfer Durchschnitts-Ehepaar mit zwei Kindern würde also künftig 400 Euro im Jahr zahlen (weniger als heute allein für die Schulbusfahrten der beiden Kinder) und bekäme vier Jahreskarten. Wer bisher nie oder nur gelegentlich Bus fährt, müsste allerdings mehr bezahlen.
Mögliche Kombination mit Teil-Auto
Ein Nulltarif im TüBus ließe sich mit dem Car-Sharing kombinieren. Das Ziel: Alle TübingerInnen haben Zugriff auf die Teil-Autos, ohne teure Vorbedingungen (Einlage, etc.). Die entsprechenden Kosten werden analog den ÖPNV-Kosten umgelegt. Erst wenn kein eigenes Auto mehr vor der Tür steht und für den Individualverkehr die reellen Kosten zu Buche schlagen (hohe Kilometerpreise bei Teil-Auto), wird das Umsonst-Busfahren so attraktiv, dass die Autofahrer auch wirklich umsteigen.
Die Kampagne
Am "Mayday"/1. Mai 2008 haben wir einen Versuchsballon gestartet und für die Demonstration einen Nulltarif-TüBus gemietet. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Wir wollen versuchen, das Thema im anstehenden Kommunalwahlkampf (Wahltermin Juni 2009) unterzubringen. Das Etappenziel: Alle Tübinger Gemeinderats-Fraktionen müssen dazu Stellung nehmen. Dazu wird es viel außerparlamentarischen Druck brauchen.
Kontakt:
ZAK
c/o KHG
Belthlestrasse 40
72072 Tübingen
Email: zak@zak-tuebingen.org
Diesen Text könnt Ihr auch hier herunterladen (TueBuskampagne.pdf).
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