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Der Euro und die Linken
Trotzdem: Wir gehen davon aus, daß die deutsche Dominanz in der EU mit der neuen Währung eher noch zunehmen wird. Es ist zu befürchten, daß aus dem Vereinigungsprozeß nicht ein europäisch gezähmtes Deutschland hervorgeht, sondern ein deutscheres Europa. Die EU dient den deutschen Eliten als Sprungbrett zur Weltmacht. Das dürfte auch ein wichtiges Motiv von Kohl, Schäuble etc. sein, weshalb sie für den Euro eintreten. Daß wir uns wenig von einer "europäischen Zähmung" Deutschlands versprechen, liegt auch an der europäischen Geschichte, die eine Geschichte von Ausgrenzung und Ausbeutung ist. Die Europa-Befürworter wollen eine "europäische Identität" konstruieren. Dieses Konstrukt hat jedoch Wurzeln, die uns nur wenig sympathischer erscheinen als der deutsche Nationalismus. Die jahrhundertelange Tradition des christlich-abendländischen Rassismus reicht von den Kreuzzügen über Antisemitismus und Kolonialismus bis zum aktuellen Feindbild Islam. Comeback der Politik? Die ökonomische Globalisierung läßt die "Handlungsreichweite" von Nationalstaaten schrumpfen. Die Kapitalisten treten weltweit in verschärfte Konkurrenz zueinander und geben sich internationalistisch: "Wir können auch anders, nämlich ins Ausland gehen, wenn der Standort Deutschland nicht nach unseren Bedingungen gestaltet wird." Die Folge: Die gesamte politische Klasse kapituliert vor der Macht des Kapitals und scheint sich nur noch darum zu kümmern, ihrerseits die Globalisierung voranzutreiben. Soziale und ökologische Standards fallen der Standort-Konkurrenz zum Opfer. Und nun der Euro? Manche Linke hoffen, daß in dem größeren EU-Wirtschaftsraum die Politik (die staatliche und die "von unten") wieder mehr Macht gegenüber dem Kapital haben wird: ein "Comeback" der Politik. Aber dies ist nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch des Wollens. Wir machen uns keine Illusionen über einen angeblich interessensneutralen Staat. Die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen: Auch sozialdemokratische Regierungen folgen mittlerweile nur noch dem Diktat des Neoliberalismus. Wir hoffen, daß die westeuropäische Integration zu einer besseren Verständigung der sozialen Bewegungen untereinander führen wird - und so eine europäische "Politik von unten" möglich wird. Dagegen steht allerdings die mangelnde Demokratie in der EU - selbst nach den mageren bürgerlich-parlamentarischen Standards. Beispiel Euro: Die nationalen Parlamente geben ihre Entscheidungsbefugnis über Währungspolitik ab, das EU-Parlament ersetzt dies nicht. Die europäische Zentralbank wird nicht politisch kontrolliert. Die EU-Befürworter haben bis jetzt fast jedes Argument aus dem Hut gezaubert, aber mit "mehr Demokratie" haben sie aus gutem Grund noch nie geworben. Zu deutlich haben die Menschen mitbekommen, daß es gegenüber der zentralistischen EU-Bürokratie keine politische Beteiligung von unten mehr gibt. Welchen Stellenwert Demokratie für das "Haus Europa" hat, zeigt sich besonders kraß bei den Repressionsorganen (z. B. Europol). Die sowieso minimalen (aber historisch erkämpften) BürgerInnenrechte innerhalb der Nationalstaaten finden sich in der EU nicht wieder. Dies hat auch Konsequenzen auch für die Möglichkeit linker Politik. Gewinner und Verlierer... Entlarvend für das Projekt der europäischen Integration ist es, daß eine entscheidende Frage nicht mehr gestellt wird: "Wem nützt es?" Unsere Aufgabe ist es, diese Frage auf den Tisch zu bringen. ... innerhalb der einzelnen Länder: Schon in Deutschland, dem Land mit der "härtesten" Währung sind die sozialen Folgen der monetären Anpassungspolitik spürbar. Von A wie Arbeitslosigkeit bis Z wie Zuzahlungen bei Medikamenten wird hier dieselbe IWF-Politik durchkonjugiert, wie wir sie seit Jahren in Bezug auf den Trikont (dort sind die Auswirkungen noch viel schlimmer) kritisieren. Entsprechend vertieft sich auch im reichen Deutschland die Spaltung in oben und unten. Ob man es nun mit dem Euro oder mit dem internationalen Wettbewerbsdruck begründet - die Verlierer sind die gleichen: Erwerbslose müssen immer schlechtere Jobs annehmen; "ArbeitsplatzbesitzerInnen" müssen immer mehr schuften, während die "Reservearmee" wächst; Frauen werden aus dem geregelten Erwerbsleben hinaus in die ungesicherte Heimarbeit abgedrängt; sogenannte "Scheinselbständige" arbeiten auf eigenes Risiko für die gleichen Firmen, bei denen sie vorher angestellt waren; Familien können Kita, Schulbus und Studienkosten nicht mehr bezahlen; usw. Hauptgewinner der europäischen Integration und des Euro sind dagegen die Konzerne und Banken. Europaweit tätige Großfirmen profitieren besonders davon, daß die bisherigen Umtauschkosten entfallen, und sie sich nicht mehr gegen Wechselkurs-Schwankungen absichern müssen. Sie können ihre Beschäftigten besser erpressen (mit der Drohung einer Standort-Verlagerung), ihre Steuern werden gesenkt, und im Dschungel der EU-Bürokratie haben sie noch bessere Einflußmöglichkeiten als ohnehin schon im bürgerlichen Parlamentarismus. ... innerhalb Europas: Für die weniger finanzkräftigen Länder der EU kommt hinzu, daß ihnen ein letztes Mittel nicht mehr zur Verfügung steht, mit dem sie bisher Wirtschaftskrisen abfedern konnten: die Abwertung der eigenen Währung. Weil dadurch die eigenen Exportgüter billiger und Importe teurer wurden, konnte die heimische Wirtschaft (vorübergehend) gestützt werden. Jetzt bleibt den schwachen Ländern nur noch ein Ausweg, um bei einer Krise international konkurrenzfähig zu bleiben: Löhne, Sozialleistungen und Umweltstandards müssen noch weiter sinken. Um zur Euro-Zone dazu zu gehören, müssen die schwächeren Mitgliedsländer (und diejenigen, die erst noch beitreten wollen) jede noch so katastrophale innenpolitische Maßnahme in Kauf nehmen. Um die sogenannten Konvergenzkriterien zu erfüllen, müssen sie vor allem die staatlichen Schulden abbauen und Sozialleistungen senken. Wer beim Euro nicht dabei ist, muß seine Zinsen erhöhen, um überhaupt noch an Geldkapital heranzukommen - und würgt damit die eigene Wirtschaft ab. Das Ganze ähnelt dem Verhältnis vieler Trikontländer zum kapitalistischen Weltmarkt: Mitmachen ist teuer, Nicht-Mitmachen ist fatal. In Europa wird die Folge eine weitere Spaltung sein zwischen einem relativ reichen Kerneuropa und einer armen Peripherie. Durch den Euro wird der Markt größer und einheitlicher. Die Konkurrenz unter den Regionen verschärft sich. Darin werden die reicheren Regionen eher bestehen. Dies wiederum wird auch Arroganz und Rassismus in den reichen Regionen/Ländern gegenüber den ärmeren verstärken. ... außerhalb Europas: Ein wichtiger Zweck des Euro ist die verbesserte Konkurrenzfähigkeit Europas auf dem Weltmarkt - vor allem gegenüber Nordamerika und Japan. Der Wettkampf um Märkte und Rohstoffe wird sich weiter verschärfen. Es muß noch billiger produziert und noch rücksichtsloser abgesetzt werden. Die Konflikte zwischen den drei großen Machtblöcken werden zunehmen. Die Leidtragenden werden vor allem die Menschen in den Ländern des Südens sein. Als InternationalistInnen lehnen wir diesen Wettbewerb zu Lasten der Schwächeren ab. Die rechten Euro-Gegner Mit unserer internationalistischen Kritik am Euro haben wir in der deutschen Gesellschaft nicht viele Verbündete. Die einen (Regierungskoalition, Gewerkschaften, Sozialdemokratie) wollen den Euro, um damit den "Standort Deutschland" zu stärken, die anderen (von Biedenkopf über den Bund Freier Bürger bis hin zu offenen Nazis) sind zwar gegen den Euro, aber aus anderen Gründen als wir: Sie trauern um "unsere D-Mark" und sorgen sich um die "deutsche Identität". In unseren Antifa-Herzen freuen wir uns auf den Tag, an dem wir den DM-FetischistInnen mit den verhaßten "Esperanto"-Geldscheinen zuwedeln können. Aber unsere Freude wird nicht lange währen: Die Nationalisten werden auch aus der Einführung des Euro politisches Kapital schlagen. Bei jeder Sozialkürzung, bei jeder Schweinerei des Kapitals wird es dann heißen: "Daran ist der Euro schuld. Wenn wir doch nur die DM noch hätten, dann müßten wir nicht die Portugiesen durchfüttern." So einfach, wie es die bereits genannte Antifa-AG der Uni Hannover sieht (Broschüre: Die Linke und Maastricht, Hannover 1997), wollen wir es uns allerdings nicht machen. Weil sämtliche "bestimmenden Sektoren des deutschen Kapitals" auf den Euro setzen, müßten Linke uneingeschränkt dagegen sein. Daß Rechtsradikale ebenfalls gegen den Euro agitieren, stört die HannoveranerInnen nicht. "Sollte die Linke deshalb etwa - aus Angst dem Antisemitismus Vorschub zu leisten - auch ihren Kampf gegen das Kapital einstellen?" (Kurz davor grenzt sich die Antifa-AG auch gegen "bürgerliches Kosmopolitentum" ab.) Zudem fühlen sich die HannoveranerInnen dadurch beflügelt, daß wir gegen den Euro endlich einmal "stimmungsmäßig die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns" haben (gemeint ist die deutsche Bevölkerung). Sie zitieren eine Umfrage, nach der 71 Prozent der Deutschen mit dem Euro einen "Anstieg der organisierten Kriminalität" befürchten, 63 Prozent eine höhere Arbeitslosigkeit, und nur 31 Prozent einen "Verlust der eigenen nationalen Identität". Also keine Gefahr, beschwichtigt die Antifa-AG, daß ein "Kampf gegen das Europa des Kapitals Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen" leiten könnte. Als ob die Hysterie wegen "organisierter Kriminalität" nichts mit Rassismus zu tun hätte! Wir müssen unsere Agitation gegen "das Europa des Kapitals" deutlich von den Rechten abgrenzen - sowohl von dem Standort-Gejammer der Bürgerlichen als auch von der "antikapitalistischen" Demagogie der Nazis. Wenn wir öffentlich auftreten, müssen wir darauf achten, daß wir nicht mit den DM-Fetischisten verwechselt werden: An unseren internationalistischen Argumenten sollt Ihr uns erkennen. Wir sind nicht gegen den Euro, weil wir für die "starke DM" wären - sondern gegen Sozialdumping. Wir sind nicht gegen das Kapital, weil wir für die Volksgemeinschaft wären - sondern für die internationale Solidarität. Was tun? Die europäische Integration wird die deutsche Vormacht zementieren, soziale Spaltungen in Europa vertiefen, die Profite der Banken und Konzerne auf Kosten der Arbeitenden und Nichtarbeitenden steigern und die Festung nach außen ausbauen. Politik wird stärker noch als bisher von vorgeschobenen und realen ökonomischen Sachzwängen bestimmt und damit unmöglich gemacht werden. Der Euro wird als ein weiterer Hebel zur Durchsetzung einer neoliberalen Politik benutzt. Sozialabbau, Privatisierung, Deregulierung und Konzentration werden durch den Euro (und seine Konvergenzkriterien) noch beschleunigt. Aber diese Prozesse gäbe es auch ohne die neue Währung. Entscheidend ist nicht die Währung, sondern die dahinter stehende neoliberale Politik mit allen ihren sozialen Katastrophen. Daher sollten wir uns die Frage auch nicht als "ja oder nein"-Glaubensfrage aufdrängen lassen. Zu DIESEM Euro "nein" zu sagen, heißt noch lange nicht, daß wir die D-Mark verehren, oder daß wir die Herrschaft der deutschen Bundesbank über Europa gutheißen. Unsere Gegenwehr darf nicht beim "Nein zu dieser EU" verharren. Auch die neue Währung werden wir nicht mehr aufhalten können. Stattdessen müssen wir jetzt danach streben, die verschiedenen sozialen Bewegungen und Kämpfe in Europa (und außerhalb) zu vernetzen - ob "Euro-Märsche" und internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Erwerbslosigkeit, Umweltaktionen von Greenpeace und Robin Wood, internationalistische Kongresse, gegenseitige Solidarität der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Frauenbewegungen, der Flüchtlings- und MigrantInnengruppen. Das Kapital organisiert sich längst transnational. Es ist Zeit, daß wir es auch tun. Kontakt: ZAK c/o KHG Belthlestrasse 40 72072 Tübingen Email: zak@zak-tuebingen.org Diesen Text könnt Ihr auch hier herunterladen (Euro.pdf, 93 KB). |
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